Prozessdenken ist eine Fähigkeit, die in einer digitalisierten Welt wichtiger denn je geworden ist. Alles hat einen genau definierten Anfang und ein ein ebenso genau definiertes Ende. Ohne diese Wegpunkte ist in einem binären Konstrukt kein Fortkommen möglich. Das menschliche „vielleicht“ ist keine Option. Die Definition und Dokumentation von Prozessen ist daher unumgänglich und bringt auch sonst einige Vorteile.
Aller Anfang ist lernbar
In Prozessen zu denken ist anfänglich mühsam und geht einem erst nach und nach in Fleisch und Blut über. Es ist wie in der Fahrschule. Zu Beginn arbeitet man eine Checkliste an Tätigkeiten im Kopf ab und hat kaum noch Zeit sich auf die Vorkommnisse auf der Straße zu konzentrieren. Lenken, die Kupplung treten, wissen in welchem Gang man sich gerade befindet um in den nächsten zu schalten, die Kupplung wieder langsam kommen lassen und das Gaspedal langsam treten. Heute denken Sie ziemlich sicher nicht mehr daran was alles genau zu tun ist. Sie machen es einfach. Selbst wenn man in ein anderes Auto einsteigt, ist binnen Minuten alles wieder klar und easy.
Wo beginnen
Es kommt darauf an. Wenn man einen bestehenden Ablauf dokumentieren will, beginnt man zu meist am Beginn. Man sucht den Auslöser, der diesen Prozess einleitet. Oftmals ist das eine Kontaktaufnahme eines Kunden oder eine Anfrage aus einer anderen Abteilung im eigenen Unternehmen. Von da aus arbeitet man sich vorwärts und dokumentiert genau was als nächstes passiert, von wem dieser Schritt ausgeführt wird, was dabei geschieht und welches Zwischenergebnis entsteht. Dabei ist wichtig, nicht nur den Idealfall zu beschreiben, sondern auch den Fall wenn nicht so wie geplant weiter gemacht werden kann. Das passiert dann, wenn eine Entscheidung, Informationen oder Ressourcen zum weitermachen fehlen. Das löst meist einen Nebenprozess aus, der dann abgearbeitet werden muss, bevor der Hauptprozess weiter voranschreiten kann. Diese investigative Arbeit geht solange weiter, bis man eine adäquate Rückmeldung für den anfänglichen Auslöser liefern kann.
Vom Ende her denken
Die andere Variante, einen Prozess zu definieren, ist am Ende zu beginnen. Das ist vor allem dann ratsam, wenn ich einen Ablauf neu gestalten möchte, sei es weil es ihn noch nicht gibt, oder man sich bewusst von alten Prozessen trennen möchte. Ganz besonders dann, wenn es um Prozesse für Kunden geht, ist diese Herangehensweise zu bevorzugen. Man definiert dafür zumindest eine wesentliche Rahmenbedingung die der Prozess jedenfalls erfüllen muss. Eine solche kann zum Beispiel lauten: der Kunde soll mit maximal drei Klicks in einem Online-Shop ein Produkt finden und eine Preis-, und Lieferinformation erhalten.
Über die Grenzen hinweg
Da für jede Prozessdefinition ein ganz bestimmter Anfang und Ende festzulegen ist, grenzt man den Ablauf automatisch von anderen Prozessen ab. Jedem Prozessanfang geht ein anderes Prozessende voraus und jedem Prozessende folgt ein anderer Prozessanfang. Da kaum ein Unternehmen die gesamte Prozesskette abbildet sondern sich auf seine Kernkompetenz konzentriert, ist es trotzdem im eigenen Interesse, genau zu analysieren, was vor und nach den von mir gestalteten Prozessen passiert. In unserer Rolle als Konsument lernen wir es zu schätzen, wenn dieses „hand-over“ reibungslos funktioniert. Genau dann entsteht ein großer Mehrwert für unsere Kunden. Ein Beispiel: wenn ich online einen Flug buche und mein elektronisches Ticket in der App meiner Fluglinie aufrufen kann, vor Abflug in der App meinen Sitzplatz aussuchen kann und dafür gleich meinen Boardingpass in der Wallet am Smartphone speichere den ich dann beim Security-Check und am Gate scannen lassen kann, habe ich einen medienbruchfreien Prozess gestaltet der ein positives Kundenerlebnis bietet.
Nahtstellen
Früher sagte ja man gerne Schnittstellen zu dem Punkt, an dem ein technisches System mit einem anderen Daten austauschte. Um den trennenden Charakter dieser Bezeichnung ins Positive zu drehen, kam dann der Begriff Nahtstelle, also etwas Verbindendes, verstärkt auf. Eine semantische Spitzfindigkeit mit einer wichtigen Botschaft: besser zusammen etwas gemeinsam verwirklichen als absichtlich eine Trennung zu produzieren. Sieht man sich in der heutigen Welt der unterschiedlichsten EDV-Prozesse um, so sind immer mehr ausgereifte aufgabenspezifische Prozesse vorhanden die sich mittels Nahtstellen sehr gut und verhältnismäßig einfach zu einer Prozesskette verbinden lassen. Das ist nicht nur effizient sondern auch sehr oft mit einem angenehmen Kundenerlebnis verbunden. Das betrifft auch interne Abläufe die früher mit langen Durchlaufzeiten, jeder Menge Papier und manueller Arbeit verbunden waren.
Was auf den ersten Blick recht aufwendig und bürokratisch klingt, macht sich auf lange Sicht bezahlt. Prozesse zu definieren und zu optimieren, passiert im großen Stil meist nur einmal. Dafür sparen Sie aber bei jedem Durchlauf des Prozess viel Zeit und schaffen dabei Wohlgefallen. Wenn Sie das nächste Mal etwas bemerken was nicht rund läuft, machen Sie einen Schritt zurück und betrachten Sie den Prozess. Vom Anfang bis zum Ende.
Bis zum nächsten Mal,
Alexander M. Schmid
Der Vereinfacher
Macht Digitales einfach.