Lern.Kultur.
Schon seit einiger Zeit ist immer wieder von einer Kultur des Scheiterns zu lesen. Kaum ein Vortrag in dem es auch nur ansatzweise um Weiterentwicklung jedweder Art geht, kommt ohne diesen Hinweis aus. Zweifelsfrei ist der Denkansatz möglichst früh zu Scheitern nicht grundverkehrt. Vor allem wenn man es aus der finanziellen Perspektive betrachtet. Niemand investiert gerne viel Geld in etwas um dann, wenn es fertig ist, zu entdecken, dass damit nicht das erreicht wird was beabsichtigt war. Dennoch ist das nur die eine Seite der Medaille.
Einfach probi(e)rren
Das Wort probieren sollte man besser probirren schreiben. Denn man versucht etwas Neues und irrt sich dabei recht oft. Nur so nebenbei: „pro [b] irren.“ wäre übrigens ein recht guter Slogan für eine entspanntere Herangehensweise für neugieriges versuchen. Zurück zur Sache. In vielen Fällen lässt sich beim Erlernen neuer Fähigkeiten oder verbessern alter Abläufe das Muster „tun, evaluieren, lernen, wiederholen“ erkennen. Dabei sind vor allem das richtige Evaluieren und Lernen wesentlich für den raschen Fortschritt.
Fehlerkultur vs Lernkultur
Aus unserer Schulzeit wissen wir, dass ein Klima der Neugierde immer bessere Lernergebnisse erzielt als ein Klima der Angst. Leider ist dieses Klima der Angst weiter verbreitet und findet sich in vielen Unternehmen und Organisationen wieder. Fehler zu machen ist das eine. Der Umgang damit das andere. Deswegen finde ich es wichtiger statt einer Fehlerkultur eine Lernkultur zu etablieren. Eine Fehlerkultur zeichnet sich meist dadurch aus, dass versucht wird möglichst wenig Fehler zu machen. Nur wer wenig Fehler macht, macht auch sonst nicht viel. Entscheidend ist vielmehr, was aus Fehlern gelernt wird und das man den gleichen Fehler nicht nochmals begeht. Dazu gehört auch, dass gemachte Fehler dokumentiert werden um anderen die Möglichkeit zu geben, diese Fehler nicht ebenfalls zu machen. Sogenannte FuckUp Nights sind Veranstaltungen, in denen Fehler präsentiert werden und die daraus gewonnenen Erkenntnisse geteilt werden. In der StartUp-Szene sind diese Events schon recht etabliert. Es wird Zeit, dass sich das auch in den Old-Economy-Unternehmen herumspricht und gelebt wird. Wer sich nicht traut das öffentlich zu machen, kann ja unternehmensintern oder abteilungsintern damit anfangen.
Es gibt sehr viele Berufe in denen solche Gespräche wichtig sind. Bei Polizei, Rettung, Krankenhausärzte und Pflegepersonal oder Militärs sind solche „De-Briefings“ nach geleisteten Einsätzen schon lange Standard. Ziel ist es dabei nicht, einzelne Menschen an den Pranger zu stellen, sondern einen Blick auf das betroffene Gesamtsystem zu werfen und daraus zu lernen. Sicher werden dabei auch Maßnahmen abgeleitet die nur einzelne Personen betreffen. Da dies aber immer im Kontext zu allen anderen Beteiligten passiert, ist das für den Einzelnen wesentlich besser zu verdauen und positiv behaftet wenn sie/er selbst dann mit der Zeit die Verbesserungen wahrnimmt.
ERlernen und ENTlernen
Viele Tätigkeiten die wir uns in den letzten Jahren durch oftmaliges Wiederholen angeeignet haben, werden manchmal von heute auf morgen auf den Kopf gestellt. Ein Bekannter erzählte mir kürzlich, dass er in seinem neuen Auto keine Handbremsgriff mehr hat sondern nur mehr einen Schalter für die elektronische Feststellbremse. Er brauchte eine ganze Weile, bis er den Griff ins Leere, zum nicht mehr vorhandenen Handbremshebel in der Mittelkonsole nicht, mehr tat. Wir sind also gefordert, zuerst alte Routinen zu entlernen um neue Routinen zu erlernen. Und das das zunehmend öfter und in immer kürzeren Abständen passiert, macht einem das Leben nicht zwingend einfacher.
Es gibt aber auch etwas Gutes daran: die dadurch erlernte Flexibilität im Denken und Handeln.
Denkanstößiges für die bevorstehende Woche:
- Wann haben Sie zuletzt bewusst etwas von anderen gelernt?
- Wem haben Sie zuletzt von einem Fehler und dessen zukünftiger Vermeidung erzählt?
- Was wollen Sie in der kommenden Woche lernen?
Alexander M. Schmid
Der Vereinfacher
Macht es einfach.