Email oder nicht Email? 

Diese Kolumne erreicht Sie, sofern Sie sie nicht gerade direkt in meinem Blog lesen, als elektronischer Brief. Es ist davon auszugehen, dass in Ihren elektronischen Postkasten noch viele andere elektronische Briefe zugestellt wurden. Einige davon gewollt und ein paar sicher auch ungewollt. An diesem Umstand hat sich gegenüber dem Papierbrief nicht viel verbessert, außer das Briefe nun schneller versendet werden und von überall gelesen werden können. Und das ist Vor- und Nachteil zu gleich.

Erwartungshaltung
Ein Briefwechsel ist eine asynchrone Kommunikation zwischen zwei Personen. Früher waren wir es gewohnt, dass im Idealfall mit einer Antwort zirka binnen einer Woche zu rechnen war. Noch viel früher dauerte das sogar noch einige Wochen, vor allem wenn ein Brief länder- oder gar kontinentübergreifend gesendet wurde.
Mit der Erfindung des Telegramm, ein Vorläufer der heutigen Messenger-Dienste, wurde die Transferzeit zwar drastisch verkürzt jedoch zu Lasten der Länge des Inhalts. Mit der Erfindung des Telefons wurde den Ungeduldigen ermöglicht bereits nach kurzer Zeit nachzutelefonieren ob denn der Brief auch wirklich angekommen sei. Wahrscheinlich war das der Tipping Point eines Verhaltens dass sich bis heute leider gehalten hat. Auch bei Emails.

Raum und Zeit
Der Vorteil von asynchroner Kommunikation ist die Trennung von Raum und Zeit. Es besteht keine Notwendigkeit, dass zwei Menschen zur gleichen Zeit am selben Ort sein müssen um Informationen auszutauschen. Besonders in und zwischen Unternehmen mit Standorten auf der ganzen Welt ist das ein Fortschritt. In einer Gesellschaft, in der Arbeitsteiligkeit und Denkarbeit kontinuierlich an Umfang und Bedeutung gewinnt, wird diese Trennung immer wichtiger.

(Un)Unterbrechung
Viele Studien beweisen, dass Unterbrechungen bei der Denkarbeit erhebliche Einbußen der Produktivität mit sich bringen. Deshalb ist es notwendig, die Häufigkeit der Unterbrechungen auf ein Minimum zu reduzieren. Aufpoppende Emails zählen dabei zu den häufigsten Störfaktoren. Das gilt sowohl tagsüber im Büro als auch abends in der Freizeit. Die Qualität der Freizeit (=Erholungsphase) leidet massiv unter dem „nur kurz Emails checken“. Deshalb gehen Unternehmen inzwischen dazu über, dass der Versand und Empfang von Emails außerhalb der Arbeitszeit unterbunden wird. Manche Unternehmen gehen noch einen Schritt weiter und löschen alle Emails (mit entsprechender Verständigung  an den Absender) während des Urlaubs des Empfängers.

(Un)Arten von Emails
Als elektronische Ablöse des Papierbriefs hat eine Email den Sinn, dass ich einen(!) Empfänger über einen Sachverhalt informiere und eine bestimmte Reaktion erwarte. Mehrere Empfänger direkt AN:zuschreiben zwingt die angeschrieben Person dazu sich untereinander abzustimmen wer nun wie reagiert und welche (Teil)Aufgaben übernimmt. Besser wäre es, die Personen einzeln anzuschreiben und die gewünschten Aufgaben einzufordern oder zumindest im Inhalt der Email persönlich anzusprechen. Die CC-Funktion ist dafür gedacht, jemanden einen „Durchschlag“ (CC=Carbon Copy) des Briefs zukommen zu lassen ohne damit eine aktive Handlung zu verbinden. Leider wird das heute nur allzuoft missbraucht, um sich abzusichern („Ich habs ja eh gesagt, ChefIn!“) Die BCC-Funktion (BCC=Blind Carbon Copy) ist das gleiche wie „stille Post“ und nicht selten der Grund für Missverständnisse oder gar Intrigen. Newsletter, die man als BCC-Adressat empfängt zeigen meiner Meinung nach nur eines: der Absender kann nicht mit modernen Emailversandwerkzeugen umgehen.

Instant-Kommunikation
Spätestens seit der Ablöse kostenpflichtiger SMS durch WhatsApp wurde der Instant-Kommunikation Tür und Tor geöffnet. Zugleich hat sich die Erwartungshaltung „ich will alles und das sofort“ dramatisch erhöht. Was im privaten Bereich praktisch funktioniert, stellt im unternehmerischen Umfeld ein Problem dar, da viele dieser Kommunikationsvorgänge nicht dauerhaft und strukturiert dokumentiert werden und sich bei strittigen Entscheidungen keine Verbindlichkeit mehr herstellen lässt.

Jeder Kommunikation das passende Werkzeug
Wichtiger denn je ist es, die richtige Form der Kommunikation und das dazu passende Werkzeug auszuwählen. Wenn eine Emailkonversation in ein Ping-Pong-Spiel ausartet, ist es besser gleich zum Telefon zu greifen oder einen Instant-Messenger zu verwenden. Die gemeinsam erzielte Erkenntnis wäre zwecks Dokumentation dann wieder gut für eine Email geeignet. Auf der Seite dontmailme.info bietet Nils Ehnert gute, teils radikale, Ansätze zu diesem Thema.

Denkanstößiges für die bevorstehende Woche

  • Würden Sie die nächste Email auch verfassen, wenn Sie sie mit der Hand schreiben müssten?
  • Wie oft lassen Sie sich von Emails täglich unterbrechen?
  • Was wäre, wenn Sie verbindlich nur einmal am Tag auf Ihre Email Antwort bekämen?

Ihnen einfach eine gute Woche,

Alexander M. Schmid
Der Vereinfacher

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