Hand.Schritflich.

Wann haben Sie zuletzt einen längeren Text mit der Hand geschrieben? Erinnern Sie sich noch an das Gefühl? Haben Sie noch das Geräusch der am Papier kratzenden Füllfederspitze im Ohr? Der aktuelle Trend „Lettering“, der per Hand schön geschriebenen Buchstaben und Kurztexte, zeigt den Wunsch des Auges und Gehirns nach optischen Anreizen, die abseits der üblichen Schriftarten liegen. Warum finden viele Menschen diese Art der Darstellung nun attraktiv? Was passiert im Gehirn wenn wir selbst par Hand schreiben?

Gedankliches.
Das Manuskript für mein vor einem Jahr erschienenen Buch habe ich absichtlich per Hand geschrieben. Der erste Versuch meine Gedanken am Laptop zu erfassen scheiterte daran, dass ich durch die Möglichkeit sofort editieren zu können abgelenkt und im Schreibfluss gehindert wurde. Die Versuchung, getippte Wörter oder Formulierungen gleich zu verändern war zu groß. Erst als ich handschriftlich begann meine Gedanken zu notieren, wurde die Möglichkeit gleich zu editieren auf das durchstreichen von Wörtern reduziert. Dabei habe ich mich an einen guten Tipp einer Schreibtrainerin erinnert: einfach schreiben und falls einem gerade nichts einfällt, genau das hinschreiben. Die Füllfeder niemals absetzen sondern einfach weiter schreiben. So kommt man ziemlich rasch in einen Flowzustand in dem sich die Gedanken und Schreibgeschwindigkeit synchronisieren. In einem nächsten Durchgang habe ich dann die handschriftlichen Manuskriptseiten elektronisch erfasst und zugleich erstmalig editiert. Dabei waren die durchgestrichenen Worte hilfreich, weil man den damals  gedachten Gedanken noch sah und besser einen Zusammenhang herstellen konnte.

Zeitliches.
Mit der Hand zu schreiben dauert sicher länger als gleich elektronisch zu arbeiten. Für zeitnahes, transaktionelles kommunizieren wie in Chats, WhatsApp-Unterhaltungen und ähnlichem ist das nicht nur notwendig sondern auch angebracht.
Sich bewusst Zeit zu nehmen um für jemanden einen überlegten Text zu schreiben hat eine ganz andere Qualität. Damit die Botschaft in dem Text auch wirklich ankommt, müssen Sie sich mit der Empfängerin / dem Empfänger vorher auseinander setzen. Sie müssen sich in Empathie üben. Es gibt heute nur mehr wenige Ausdrucksmöglichkeiten der Wertschätzungen die eine ähnliche Wirkung entfalten wie eine persönliche, handschriftliche Nachricht. Dabei muss es sich gar nicht um einen seitenlangen Brief handeln – eine Grußkarte nach einem Treffen, ein Post-it, oder eine Widmung in einem Buch schaffen bleibende Erinnerungen.

Optisches.
Rein optisch sind handgeschriebene Texte eine willkommene Abwechslung zur Druckschrift in unserem Alltag. Ganz besonders wenn es sich um auf Papier Geschriebenes handelt. Kaum eine der vielen neuen Manufakturen kommt ohne handgeschriebene Preistafel  oder sogar Logos mit handschriftlichen Elementen aus.

Persönliches.
Sie alle kennen die Formulierung „dieses Werk trägt ihre/seine Handschrift“. Damit ist gemeint, dass etwas charakteristisch für jemanden und eindeutig identifizierbar ist. Viele Marken nutzen inzwischen den Begriff „Signature Line“ für eine höchst individuell gestaltbare Version ihrer Produkte und bieten Kunden eine Möglichkeit ihre Persönlichkeit damit noch besser Ausdruck zu verleihen.

Verbindliches.
Wir alle haben gelernt, dass eine Unterschrift Verbindlichkeit zum Ausdruck bringt. Man steht mit seinem Namen dafür gerade. Ein handschriftlicher Text bringt also nicht nur durch den Inhalt im Text – und zwischen den Zeilen – sondern auch durch die Tatsache, dass er per Hand geschrieben wurde, eine andere Wertigkeit mit sich. Wer erinnert sich noch an die kleinen Zettel in der Schule auf denen wir unseren Schwarm Liebesbotschaften zukommen ließen? Die kleinen x-mal zusammen gefalteten Zettel auf denen wir schüchtern „Willst Du mit mir gehen?“ fragten und die Antworten mit „Ja | Nein | Weiß nicht | Hab Angst“ vorgaben? Der nächste Level war dann das Stammbuch in dem man sich gegenseitig verewigen durfte. Heute hinterlässt man einandern in Facebook Nachrichten die jederzeit veränderbar oder gar löschbar sind.

Zeitgemäßes.
Im Zeitalter der Digitalisierung über analoge Ausdrucksformen zu schreiben mag auf den ersten Blick paradox klingen. Zum raschen und dokumentarischen Informationsaustausch sind digitale Medien sicher State of the art und sinnvoll. Für den kreativen, gestalterischen Aspekt sind manuelle analoge Formen noch immer besser geeignet. Es ist kein entweder oder sondern ein sowohl als auch.

 

Denkanstößiges für die bevorstehende Woche

  • Wann haben Sie jemanden zuletzt einen Brief per Hand geschrieben?
  • Wenn Sie ein Tagebuch führen – elektronisch oder analog?
  • Wie würden Ihren MitarbeiterInnen / Kunden / Kollegen auf Dankeskärtchen reagieren?

Ihnen einfach eine gute Woche,

Alexander M. Schmid
Der Vereinfacher

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