Zeugnis

Im Namen von Karin Tesar und mir, vielen Dank für die überdurchschnittlich vielen Rückmeldungen zur letzten Kolumne. Es freut mich, dass sowohl das Thema „MitarbeiterInnen.Gespräche“ wie auch das Format so großen Anklang gefunden haben. Sie haben uns damit ein sehr erfreuliches Zeugnis ausgestellt. Apropos Zeugnis.

Dieses Wochenende ist im Osten Österreichs Semesterferienbeginn. Semesterferien und Zeugnisverteilung gehören seit einer gefühlten Ewigkeit zusammen wie Licht und Schatten. Die Freude auf eine Woche (Ski)Ferien ist das Licht und das vielleicht nicht so ganz zur Zufriedenheit ausgefallene Zeugnis, der Schatten auf die im Sonnenlicht glänzende Skipiste. Dabei ist so ein Zeugnis doch bestenfalls die Zwischenzeit in einem kurzen Rennen. In meiner Schulzeit war mir das noch nicht so bewusst. Da fühlte sich jedes Zeugnis wie das Ende der Welt an. Heute sehe ich das bereits etwas entspannter.

Unser ganzes Leben werden wir von Zeugnissen begleitet und keines davon markiert einen finalen, nicht mehr veränderbaren Zustand. Semesterzeugnis, Maturazeugnis, Befähigungszeugnis, Leumundszeugnis, Kirchenzeugnis, Gesundheitszeugnis, Zeitzeugnis. Zeugnisse sind nur Momentaufnahmen während unserer stetigen Weiterentwicklung. Zeugnisse markieren Wegpunkte auf unserem Pfad. Sie sorgen für Orientierung wie die farblichen Wanderwegmarkierungen an Bäumen und Hauswänden.

Erst kürzlich kochte die Diskussion über die Art von Schulzeugnissen – verbale Beurteilung oder Beurteilung mit Zahlen – wieder hoch. Ich selbst habe meine gesamte Schulzeit mit numerischer Beurteilung zugebracht und kann mir eine verbale Beurteilung im Nachhinein nicht so recht vorstellen. Zu sehr hat mich seither die Bewertung auf einer Skala von eins bis fünf geprägt. Man denke an Hotelbewertungen, Servicebeurteilungen und dergleichen mehr. Gerade bei Bewertungen auf Amazon oder Hotelbewertungsplattformen sieht man, wie die verbalen Kommentare und die vergebenen Sterne nicht immer zusammen passen. Kleinigkeiten, die mir persönlich gar nicht wichtig sind, geben den Ausschlag die Gesamtbewertung höher oder niedriger anzusetzen. Ein Dilemma eines jeden Zeugnisses.

Was war 
Ein Zeugnis ist eine Zwischen(be)wertung. Nicht mehr und nicht weniger. Für die konsequente Weiterentwicklung ist es daher wesentlicher, ob diese Zwischenwertung mich in meiner Entwicklung bestätigt oder mich dazu veranlasst kleinere Kurs-korrekturen vorzunehmen. Die Schwierigkeit unserer Gegenwart ist, dass diese Gegenwart inzwischen viel kürzer dauert als früher und lineare Entwicklungen in vielen Lebensbereichen bereits der Vergangenheit angehören. Dem kann man begegnen, indem man öfter Zwischenwertungen vornimmt was zugleich bedeutet, dass die einzelne Zwischenwertung an Bedeutung verliert. Das mir eben die Sonntags(wahlum)frage einfällt kann nur ein Streich meines Unbewusstseins sein.

Was sein wird
Im Nachhinein zu wissen, was ich nicht alles hätte besser machen können, zeigt, dass ich daraus gelernt habe und mich weiter entwickelt habe. Alles andere wäre das Eingeständnis von Stagnation.  So wie die Evolution ein stetiger Anpassungs- (=Lern)Prozess ist, so ist auch das Lernen aus unseren Erfahrungen, vor allem aus jenen die uns nicht weiter gebracht haben, notwendig für unsere Entwicklung.

Lernmomente sind Zeugen unserer Weiterentwicklung und Zeugnisse dokumentieren das.

 

Denkanstößiges für die bevorstehende Woche
  • Welche Zeugnisse habe Sie noch in Erinnerung?
  • Welches dieser erinnerten Zeugnisse hat zu einer wesentlichen Veränderung geführt?
  • Wie bewerten Sie Zeugnisse anderer Menschen – sehen Sie was war oder was werden könnte?

Ihnen einfach eine gute Woche,

Alexander M. Schmid
Der Vereinfacher

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