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Vermessen

Ist es vermessen zu behaupten, dass das Vermessen alleine nur der Gleichmacherei dient und der Individualität immer weniger Raum lässt? Der Mensch misst sich immer mehr mit sich selbst, mit anderen sowieso und verliert sich dabei in Details. Welches Maß ist nun das Richtige und können wir ohne Fremdvergleiche (über)leben? 

Vermessen
Seit es dem Menschen technisch möglich ist, misst er Dinge um sie greifbarer und vergleichbarer zu machen. Besonders im Handel war das besonders hilfreich um einen adäquaten Austausch an Gütern zu garantieren. Ebenso war es hilfreich, international kompatible Transportwege zu ermöglichen. Die Vereinheitlichung der Spurweite bei Schienenfahrzeugen verbesserte den Güterverkehr sehr. Auch die Landvermesser waren früher sehr gefragt um Grenzen abzustecken und die Flächen dazwischen genau zu berechnen. Heute passiert das zumeist schon per GPS-Satelliten die unter anderem Agrarflächen vermessen und Landwirten entsprechende Förderungen auszahlen. Diese objektiven Messungen machen Sinn um Ungleichbehandlungen zu vermeiden. 

Selbstvermessung
Seit es Smartphones und Fitness-Tracker mit allen möglichen Sensoren gibt, ist ein regelrechter Hype der Selbstvermessung ausgebrochen. Was früher nur mühsam und mit Hilfe Dritter oder teuerer Geräte möglich war, erledigen jetzt kleine Computer am Handgelenk oder in der Hosentasche. Vor allem im Sport ist das zu einem wesentlichen Vorteil gegenüber früher gereift und ermöglicht quasi jedem in seinem idealen Bereich zu trainieren. Das kontinuierliche Messen des Puls verhindert gesundheitsschädliches Verhalten und erhöht zugleich die Wirksamkeit des Trainings. Selbst für Patienten mit chronischen Krankheiten werden mit diversen Messgeräten nun selbst in die Lage versetzt sich ohne Hilfe eines Arztes zu beobachten und mögliche ernste Zustände früh zu erkennen. Diabetiker messen regelmäßig ihre Zuckerwerte und Herzpatienten werden dank mobilem EKG am Handgelenk auf Unregelmäßigkeiten hingewiesen die sie mit einem Arzt besprechen können bevor ein Infarkt oder Schlaganfall eintritt. 

Fremdvermessung
Viele Messungen werden inzwischen auch von Dritten durchgeführt, ohne das es uns immer so wirklich bewusst ist. Vieles versteckt sich hinter dem Label „Convenience“ (Bequemlichkeit) und zeichnet unser analoges wie auch digitales Verhalten auf. Das wird vor allem dann problematisch wenn diese Informationen nicht mehr anonym sondern mit unserem Namen verknüpft sind. Es kann sich jeder ausmalen, dass solche Verknüpfungen schneller ausgewertet und interpretiert werden können, als Sie diese Kolumne fertig gelesen haben. Dazu kommt noch, dass die Interpretation unseres Verhaltens auf Annahmen oder Kausalitäten beruhen, die keinesfalls stimmen müssen. Jeder weiß, wie lange es dauern kann bis ein einmalig (und womöglich noch für jemand anderen) gekauftes Produkt aus den Vorschlägen in Online-Shopping-Portalen oder den Suchergebnissen auf Google verschwindet. 

Vergleiche
Es beginnt schon in der Schule bei der ersten Zeugnisverteilung. Wir benoten unsere Kinder nach einem fixen Zahlenschema um sie miteinander – eigentlich müsste es gegeneinander heißen – zu vergleichen. Das war damals in Vor- und Zwischenkriegszeiten hilfreich, als eine Menge möglichst guter Soldaten benötigt wurden. Diese Zeit haben wir nun endlich hinter uns gelassen und sollten mehr auf die individuellen Fähigkeiten Wert legen. Was wäre, wenn in der Schule nicht die Kenntnisse und Fähigkeiten im Vergleich zu anderen Schülern festgestellt werden sondern die individuelle Verbesserung im Laufe des Schuljahres? 

Die richtigen Messwerte
Wenn wir uns schon selbst vermessen und Vergleiche anstellen, ist es wichtig die richtigen Messwerte auszuwählen. Manchmal liegen diese Messwerte auch im Widerspruch zueinander. Wenn an den falschen Stellen gespart wird, mag das kurzfristig erfolgreich wirken aber selten langfristig. Ich kann mein Gewicht durch weniger Nahrung und Flüssigkeit reduzieren. Es darf mich dann aber nicht überraschen, viel weniger Kraft und Kreislaufprobleme zu bekommen. Im übertragenen Sinne trifft das auch sehr oft bei Unternehmen zu. Das „gesundschrumpfen“ hat in nur sehr wenigen Fällen wirklich zum Erfolg geführt. Und wenn, dann auf Kosten der Produktqualität, dem Kundenservice und der Reputation. Die Wahl der Messwerte bestimmt den Fokus unseres Handelns. 

Jeder von uns hat schon irrationale Entscheidungen aus dem Bauch heraus getroffen. Solche Entscheidungen verfälschen jede Messreihe. Deswegen ist es wichtig sich vor Augen zu halten was schon Albert Einstein erkannte: Nicht alles, was zählt, kann gezählt werden, und nicht alles, was gezählt werden kann, zählt!

 

Ihnen eine einfach gute Woche,

Alexander M. Schmid
Der Vereinfacher

Macht es einfach.

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